Almosen geben ohne Scheu? Ohne Befürchtung, dass die Spende nicht wirklich ankommt? Ohne schlechtes Gewissen, doch nicht genug gegeben zu haben? Ohne das Misstrauen, von einem Bettler oder einer Organisation betrogen zu werden?

Der Monatsvers stammt aus einem weisheitlichen Buch der Bibel und steht am Anfang einer wunderbaren Geschichte. Das Buch Tobit gehört zu den späten Schriften des Alten Testamentes. Luther hat diese bei der Übersetzung aussortiert, da sie „der Heiligen Schrift nicht gleichzustellen, aber doch nützlich und gut zu lesen“ seien. 

Der doppelsinnige Spruch gehört zu einer längeren Unterredung zwischen dem erblindeten Vater Tobit und seinem Sohn Tobias. Tobit gibt den Glauben an Gott und das Vertrauen auf seine Weisungen an seinen Sohn weiter. Was er ihm in diesem geistlichen Vermächtnis besonders ans Herz legt, ist das Almosen geben: Ein Tun der Gerechtigkeit im Geben und Helfen.

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Es steht exemplarisch für ein ganzes Leben nach Gottes Geboten, unabhängig davon, ob viel oder wenig zur Verfügung steht. Entscheidend ist nicht, wie groß eine Gabe ist, sondern dass die Armen Unterstützung erfahren. Diese Pflicht gilt auch dann, wenn man selbst nur wenig hat.

Die Redewendung „Almosen geben“ ist heute negativ besetzt. Es klingt nach einem eher vergeblichen, unzureichenden Versuch, mit der sozialen Frage umzugehen. Almosen lindern die Not vielleicht kurz, aber sie mildern die Ungleichheit in keinerlei Weise. Hände frei

Das geistliche Vermächtnis von Tobit eröffnet zwei Horizonte. Zum einen: echte menschliche Gemeinschaft. Zum anderen: Menschliches Leben vor Gott. Menschliche Beziehungen sind auf Gegenseitigkeit angewiesen. Tobit weiß das und hat es seinem Sohn weitergegeben: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu“ (Kp 4,15)! 

Wo haben und Geben, Geben und Empfangen ein gemeinschaftliches Verhältnis, einen gegenseitigen und wechselseitigen Zusammenhang bilden, wird Menschlichkeit möglich – durch Teilen. Wir müssen es einfach tun. In all unserer Verschiedenheit, bei all den Unterschieden und Ungerechtigkeiten müssen wir anfangen zu teilen. Teilgeben ermöglicht Teilnehmen und Teilhaben – und das ist der Weg zu menschlicher Gemeinschaft. Es ist der Weg, nach Gottes Willen zu leben. 

Gott freut sich über alle, die bereit sind, zu teilen. Er schaut nicht darauf, wie groß oder klein eine Gabe ausfällt. Fröhlich Gebende hat Gott lieb. Sie geben von Herzen – sei es aus dem Überfluss, aus dem Vollen schöpfend, oder aus knappen Mitteln. 

Paulus schreibt: „Ein jeder gebe, wie er's sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“

In herzlicher Verbundenheit

Euer Pastor Willi Müller