Hiobsbotschaften – die Frage nach dem Leid ist eine der Grundfragen der Menschheit und begegnet uns in vielen Formen: Warum muss ich leiden? Hat das Leid irgendeinen Sinn?  Warum gerade ich? Menschen klagen, schreien, sind zutiefst verzweifelt und ganz außer sich. An vielen Stellen wird das Leid in der Bibel thematisiert. Im AT spielt die Frage nach dem Leid im Buch Hiob eine besondere Rolle. 

Hiob wird beschrieben als frommer Mann, er hat tiefes Gottvertrauen, ist vorbildlich in der religiösen Praxis und opfert sogar für seine Kinder. Als Patriarch einer Großfamilie lebt er in Wohlstand und ist überall angesehen.

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Aber dann kommt es Schlag auf Schlag, er verliert alles: Rinder, Schafe, Kamele, Knechte und sogar seine Kinder. Nur wenige Momente und fast alles ist verloren – Hiobsbotschaften.

Hiob wird krank, in seinem Schmerz verletzt er sich mit einer Scherbe. Seine Frau rät ihn, Gott abzusagen und zu sterben. Drei Freunde kommen und trauern mit ihm. Gleichzeitig wollen sie Antwort geben auf die Fragen: Warum? Warum ich? Es sind Antworten wie: Trägst du vielleicht eine Mitschuld?  Du musst es akzeptieren! Gott ist unergründlich. Das Leben geht weiter. Hiob wehrt sich und verneint seine Schuld. Die Freunde wissen keinen guten Rat. Immer wieder packt ihn die Todessehnsucht. Mit einem solchen Gott will er nichts zu tun haben. trauer nach streit 4 3 XGA

Und so tritt Hiob als Kläger auf, der vor Gott Recht bekommen will. Seine Freunde nehmen die Position der Anwälte ein, bis Gott selber das Urteil spricht. Doch es kommt etwas Neues, Unerwartetes zur Sprache. Aus der Wüste von Trauer und Leid taucht unvermittelt eine Oase der Hoffnung auf. Mitten im Drama des Lebens erscheint Hiob trotzig und spricht die Gewissheit aus: „Ich weiß“. Der Tag wird kommen, an dem mein Erlöser das Recht wiederherstellt. 

Luther hat diesen Vers als einen Auferstehungsglauben interpretiert, als ein Geschehen nach dem Tod. Nach dem hebräischen Text aber erwartet Hiob das Sehen Gottes schon in seinem realen Leben. 

Es bleibt ein Geheimnis, dass wir nicht klären können. In jedem Fall kommt dieses Geschehen auf Hiob zu: Eine Erfahrung, neue Gedanken, ein Geschenk. All das kann Hiob nicht selber machen. Es geschieht an ihm. Das ist der Trost dieser Geschichte. Für alle Leidenden bis heute. Es kann geschehen, dass Menschen neues Vertrauen in Gott finden. Und indem Hiob diese neue Gewissheit ausspricht, wird sie hörbare Wirklichkeit. 

Hörbare Wirklichkeit – dieser Vers. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ wurde vielfältig vertont und interpretiert und oft in den österlichen Kontext gestellt. Ob Paul Gerhard im Jahr 1667 oder Heinrich Schütz am Ende des 30-jährigen Krieges, ob Telemann, Händel, Helmut Jost mit der Pop Version oder Lothar Kosse im LAKI PopChor – immer schwingt ein Staunen über das eigentlich Unfassbare mit. 

Am Ende stirbt Hiob, alt und lebenssatt. Aber auch gezeichnet von den Narben des Lebens. Aber es ist Leben. Hiobs Frage bleibt letztendlich offen. Sein Leiden wird weder erklärt noch gerechtfertigt. Die Rätzel des Lebens werden nicht einfach aufgelöst. Es bleibt die Erfahrung, dass Gott in den Tragödien und Wirren des Lebens oft unendlich fern scheint. Hiob ist kein Buch, dass Antworten im Glauben gibt, es ist ein Weg des Glaubens, der im Leiden gegangen wird. 

Solange Menschen leiden, solange müssen Hiobs Klagen als Fragen wiederholt werden, die man Gott entgegenhält, und manchmal auch entgegenschleudert. Auch wenn im Leiden kein Sinn zu erkennen ist, gibt es zumindest ein Gegenüber, vor dem ich den Schmerz ausschüttern kann. 

Und es kann geschehen, dass sich ein Hoffnungsschimmer am Horizont einstellt, der den Blick über das unbegreifbare Geschehen hinaus weitet und die hoffnungsvolle Zuversicht schenkt: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“ 

In herzlicher Verbundenheit

Euer Pastor Willi Müller