Liebe Gemeinde!

„Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ (Psalm 103,2)

Blick auf ein azurblaues tropisches Meer mit einer grünen, hügeligen Küste im Vordergrund. Im Hintergrund ein Regenbogen.

Halleluja! So erhebend ist diese alte Liedzeile. Lobe Gott, mein Innerstes. Wenn ich mir vor Augen halte, dass der israelitische Beter bei dem Wort „Seele“ nicht an eine innerlicher Geistwolke dachte, wie wir heute vielleicht, sondern an seinen Schlund, durch den alles geht, was er zum Leben braucht, entsteht in mir eine andere Haltung.

Nicht mein eigenständiger, autonomer Personenkern soll Gott loben, sondern ich in meiner in- nersten Angewiesenheit, ich als lebende Bedürftigkeit, soll und will Gott loben. Wir können Gott gar nicht aus einer neutralen Position heraus loben. Wir sind doch immer Bedürfende, Empfangende, Erwartende.

Der Psalmsänger macht uns vor, wohin er sich ausrichtet mit seinem Schlund-Sein: auf Gott. Und sofort ist er bei Gottes Wohltaten in seiner Bedürftigkeit. Ohne diese Güte könnte er gar nicht leben! „Lobe Gott, meine Bedürftigkeit, und erinnere dich daran, wovon und von dem du lebst!“ Und das macht diese Liedzeile nicht nur erhebend, sondern sie bringt auch eine große Dankbarkeit mit.

Wer den ganzen Psalm 103 liest oder kennt, merkt: Es geht gar nicht nur um Gottes persönliche Wohltaten. Ziemlich schnell schaut der Beter auf Gottes kollektive Wohltaten. Gott tut nicht nur „mir“ gut, sondern auch „uns“ und sogar „jenen“. Dass dieser wohltuende Gott ein Gerichtigkeits- liebhaber und -wirker ist, besingt der Psalm. Dass er Partei ergreift für die Benachteiligten und Ent- rechteten. Und dass er nicht nur eintritt für Gerechtigkeit, sondern Unrecht auch vergibt. So gibt er beiden Seiten neue Chancen, den Tätern und den Opfern. Zum Staunen und Loben ist das!

Hinter so einem Beten steht nicht nur großes Mitgefühl, sondern das Selbst-Verständnis, dass kein Mensch allein lebt und leben kann. Wir leben immer in Bezügen, erst recht zu unseren Mitmen- schen, aber auch zu Gottes Schöpfung. Indem Gott mir wohltut, tut er meiner Gemeinschaft und Umwelt gut. Und indem er meiner Gemeinschaft und Umwelt wohltut, tut er mir gut.

Am Schluss kommt es mir vor, als würde der Beter „abheben“. Nicht nur seine Seele soll Gott loben, sondern auch Gottes Engel, seiner Helden, seine Heerscharen und Diener, und sogar seine Werke (der Schöpfung). Alle damals vorstellbare Wesen und Menschen können nicht ohne diesen Gott, sind nicht ohne diesen Gott, leben aus diesem Gott. Nicht mein Leben, nicht meine Gemein- schaft, nicht meine Umwelt, nicht das Universum, nichts davon ist selbstverständlich. Gott allein ist selbstverständlich! Er ist ewige Quelle allen Lebens, die sich wohltuend ergießt.

Die letzten Worte dieses alten Liedes landen da, wo das Lied begonnen hat. Als wäre das Lob des ganzen Universums sinnlos, wenn „meine Seele“ nicht mit einstimmte. Und als sollte dieses Lied von vorn gesungen werden.

„Lobe den Herrn, meine Seele!“